Steuerrechtliche Fragen

Umsatzsteuer-Änderung

Auch für Vereine relevant?


Edgar Oberländer, Vorsitzender des Landesausschusses Recht, Steuern und Versicherung, hat dazu folgende Hinweise zusammengestellt:

Die Regierungskoalition hat im Rahmen ihres Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets am 03.06.2020 verkündet, den Umsatzsteuersatz vom 01.07. bis 31.12.2020 von 19 Prozent auf 16 Prozent (Regelsteuersatz) beziehungsweise von 7 Prozent auf 5 Prozent (ermäßigter Steuersatz) abzusenken. Diese auch für umsatzsteuerpflichtige gemeinnützige Vereine erfreuliche Maßnahme wirft aber in vielen Bereichen Fragen auf und macht eine umfassende Beratung notwendig. Denn die allgemeine, auf sechs Monate befristete Absenkung des Umsatzsteuersatzes stellt für die Vereine erhebliche Herausforderungen dar.

Die jetzt umgesetzte Änderung bei den Umsatzsteuersätzen ist in mehrfacher Hinsicht einmalig: Zum ersten Mal seit Einführung des heute gültigen Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzugsberechtigung zum 01.01.1968 kommt es zu einer Absenkung des Umsatzsteuersatzes. Alleine die Umsetzung dieser temporären Absenkung des Umsatzsteuersatzes wird sowohl bei der Absenkung zum 01.07.2020 und dann bei (Wieder-)Anhebung zum 01.01.2021 zu vielen Abgrenzungsfragen, Anpassungsschwierigkeiten und Auslegungsproblemen führen.

Grundsätzlich wird gelten:

1. Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG = Umsatzsteuergesetz): Für alle bis zum 30.06.2020 ausgeführten Umsätze gilt der Regelsteuersatz von 19 Prozent; für alle in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein Regelsteuersatz von 16 Prozent und ab dem 01.01.2021 soll dann wieder der (alte) Regelsteuersatz von 19 Prozent gelten.

2. Ermäßigter Steuersatz: Für alle bis zum 30.06.2020 ausgeführten Umsätze gilt in den in § 12 Abs. 2 UStG aufgeführten Sonderfällen der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent; für alle in der Zeit vom 1.7. bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein ermäßigter Steuersatz von 5 Prozent und ab dem 01.01.2021 soll dann wieder der (alte) ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent gelten.

Ausführung des Umsatzes

Für die Entstehung der Umsatzsteuer und die zutreffende Anwendung des Steuersatzes kommt es darauf an, wann die Leistung ausgeführt worden ist. Die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes ist dabei unabhängig davon, ob der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) oder nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) besteuert, von Bedeutung ist nur, wann die entsprechende Leistung nach umsatzsteuerrechtlichen Regelungen ausgeführt ist. Auch die Vereinnahmung von Anzahlungen oder Vorauszahlungen ist für die endgültige Entstehung der Umsatzsteuer der Höhe nach ohne Bedeutung, § 27 Abs. 1 UStG = Umsatzsteuergesetz.

Zur korrekten Ermittlung der Umsatzsteuer muss damit immer festgestellt werden, wann die Leistung ausgeführt ist. Besondere Probleme ergeben sich bei langfristigen Verträgen, die über den Zeitpunkt des Steuersatzwechsels hinaus ausgeführt werden.

Grundsätzlich gilt für die Ausführung einer Leistung Folgendes:

Lieferungen: Lieferungen (auch Werklieferungen) gelten dann als ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erworben hat; wird der Gegenstand befördert oder versendet, ist die Lieferung mit Beginn der Beförderung oder Versendung ausgeführt (Abschn. 13.1 Abs. 2 UStAE = Umsatzsteuer-Anwendungserlass).

Sonstige Leistungen: Sonstige Leistungen (auch Werkleistungen) sind im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Ende des Leistungsabschnitts ausgeführt, wenn keine Teilleistungen vorliegen (Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE = Umsatzsteuer-Anwendungserlass).

Innergemeinschaftliche Erwerbe: Die Umsatzsteuer für einen innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des dem Erwerb folgenden Monats (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG = Umsatzsteuergesetz).

Beispiel: Ausführung der Leistung

Der Verein bestellt am 20.07.2020 ein neues Fahrzeug zur Vereinsnutzung für 30.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Als Liefertermin wird Dezember 2020 vereinbart.

Der Verein leistet schon im Juli 2020 eine Vorauszahlung von 34.800 Euro, also 30.000 Euro zuzüglich 16 Prozent USt. Aufgrund von Lieferengpässen kann das Fahrzeug erst am 12.01.2021 ausgeliefert werden. Soweit die Absenkung des Regelsteuersatzes nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert werden sollte, ist die Leistung erst im Januar 2021 ausgeführt und unterliegt dann (wieder) dem Regelsteuersatz von 19 Prozent.

Dauerleistungen: Bei Dauerleistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muss abgegrenzt werden, ob der Unternehmer ggf. Teilleistungen ausführt. Soweit Teilleistungen vorliegen, entsteht die Umsatzsteuer für alle Teilleistungen, die bis zum 30.6.2020 ausgeführt worden sind, noch mit dem alten Regelsteuersatz von 19 Prozent bzw. 7 Prozent. Für alle Teilleistungen, die in der Zeit zwischen dem 01.07. und dem 31.12.2020 ausgeführt werden, gilt der Steuersatz von 16 Prozent bzw. 5 Prozent und danach dann wieder mit 19 Prozent bzw. 7 Prozent.

Wichtig: Korrektur der Abrechnungen

Gerade bei Dauerleistung, die im Rahmen von Teilleistungen (z. B. Mietverträge, Leasingverträge) ausgeführt werden, muss auf eine Anpassung und Korrektur der Abrechnungen (Verträge, Dauerrechnungen etc.) geachtet werden. Wird hier keine Korrektur vorgenommen, wird die überhöht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.

Dauerkarten stellen nach herrschender Meinung Vorauszahlungen für eine einheitliche Leistung dar. Bei Zahlung zu Beginn des Leistungszeitraums entsteht Umsatzsteuer aufgrund der Vereinnahmung; die Leistung ist erst am Ende der Laufzeit ausgeführt. Die zutreffende Umsatzsteuer entsteht insoweit nach den gesetzlichen Grundlagen, die am Ende des jeweiligen Leistungszeitraums entstehen.

Unrichtig ausgewiesener Steuersatz: Ein besonderes Problem ergibt sich insbesondere bei der Absenkung der Steuersätze zum 01.07.2020. Stellt ein Unternehmer eine Rechnung noch mit dem alten Steuersatz von 19 Prozent (oder 7 Prozent) aus, erbringt die Leistung aber zwischen dem 01.07. und dem 31.12.2020 hat er zu viel Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen (unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer, § 14c Abs. 1 UStG.). Dieser zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag wird von dem Unternehmer geschuldet. Dieser zu hoch ausgewiesene Steuerbetrag kann aber von einem grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigten Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer abgezogen werden.

Vertragsanpassung: Bei einer Änderung des Steuersatzes ist für die Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen immer festzustellen, wer von den Vertragsparteien die Auswirkungen zu tragen hat. Darüber hinaus ist die Vorsteuerabzugsberechtigung von entscheidender Bedeutung, da bei voller Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers eine Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Leistungsempfänger keine Probleme bereiten sollte.

Ist der Leistungsempfänger aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, muss geprüft werden, welcher der Vertragspartner die Umsatzsteuer zu tragen hat. Besonderheiten ergeben sich bei langfristigen Verträgen (Abschluss vor mehr als vier Monaten vor Eintritt der Rechtsänderung). Hier kann es zu einem Ausgleich einer Mehr- oder Minderbelastung durch die Vertragsparteien kommen.

Der maßgebliche Vertrag muss zwischen den Vertragsparteien vor dem jeweiligen Stichtag der Gesetzesänderung rechtskräftig abgeschlossen worden sein, § 29 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 UStG. Die Frage, ob ein Vertrag vor dem Stichtag abgeschlossen worden ist, oder ob er nach dem Stichtag abgeschlossen wurde und damit nicht unter die Regelung des § 29 UStG fällt, bestimmt sich nach zivilrechtlichen Vorschriften. Dazu ist insbesondere erforderlich, dass nicht nur ein verbindliches Vertragsangebot vorliegt, der Leistungsempfänger muss das Vertragsangebot auch angenommen haben. Für Verträge, bei denen zwar ein verbindliches Angebot vor dem Stichtag abgegeben worden ist, der Leistungsempfänger das Vertragsangebot aber erst nach dem Stichtag annimmt, kann ein Ausgleich der Mehr- oder Minderbelastung nicht nach § 29 UStG erfolgen.

Regelungen beachten

Ein Ausgleich der Mehr- oder Minderbelastung nach
§ 29 UStG kann nur erfolgen, wenn dem Vertrag keine anderen Regelungen zugrunde liegen, § 29 Abs. 1 Satz 2 UStG. Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien können sowohl ausdrücklich in individuellen vertraglichen Regelungen bestehen, sie können sich aber auch schlüssig aus dem Verhalten der beteiligten Vertragsparteien ergeben.

Wann wurde der Vertrag geschlossen?

Voraussetzung für eine Anwendung des § 29 Abs. 1 UStG ist darüber hinaus, dass der Vertrag nicht später als vier Monate vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung abgeschlossen worden ist. Der Zeitraum von vier Monaten war ursprünglich gewählt worden, da (früher) davon ausgegangen wurde, dass eine Steuersatzänderung mindestens vier Monate vor Inkrafttreten zumindest diskutiert wird. Eine Situation, wie sie jetzt vorliegt, dass eine Änderung der Öffentlichkeit vorgestellt wird und binnen vier Wochen in Kraft treten soll, lag bei Schaffung des § 29 UStG außerhalb der Vorstellungskraft.


Quelle: Auszüge Haufe