Schmerzmittel im Sport

Mehr Schaden als Nutzen

Schmerzmittel sind auch im Breitensport ein Problem


Rund 50 Prozent der Deutschen treiben in ihrer Freizeit Sport – um einen Ausgleich zur Arbeit zu finden, die Fitness zu verbessern oder um sich gesund zu halten. Viele Sportler nehmen auch an Wettkämpfen teil. Sie überprüfen damit ihren Leistungsstand oder versuchen, persönliche Bestleistungen zu erzielen. Dafür gehen sie teilweise an ihre körperlichen Grenzen, was während oder nach dem Training/Wettkampf zu Muskel-, Gelenk- oder anhaltenden Überlastungsschmerzen führen kann.

Einige Sportler nehmen Schmerzmittel ein, um diese Schmerzen zu unterdrücken, weiter trainieren oder am Wettkampf teilnehmen zu können. Manchmal werden Schmerzmittel auch eingesetzt, um später auftretende Schmerzen in Muskeln oder Gelenken bereits im Vorfeld abzuwenden. Eine Umfrage der Techniker Krankenkasse im Jahr 2012 hat ergeben, dass sechs von zehn Sportlern keine Bedenken haben, Schmerzhemmer beim Sport einzunehmen. Etwa ein Drittel der Befragten gab an, das auch schon praktiziert zu haben. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick, welche Folgen das haben kann und wann die Schmerzmittel eher schaden als nützen.

Risiken des Sporttreibens

Natürlich hat Sport eine positive Wirkung auf die Gesundheit. Eine sehr anstrengende körperliche Betätigung kann den Organismus aber belasten. Große Ausdauerleistungen können zum Beispiel im Magen-Darm-Trakt und in den Nieren zu Veränderungen führen, die die Funktion der Organe beeinträchtigen. Beim Sport werden vor allem die Muskeln und die Haut stark durchblutet, dadurch kommt es in den inneren Organen zu einer verringerten Durchblutung, die zu Verdauungsstörungen wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder Durchfall beitragen kann. In schlimmeren Fällen kann es zu Schleimhautentzündungen, Geschwüren oder Blutungen kommen [1, 2].

Darüber hinaus geht man davon aus, dass die Laufbewegung eine ständige Bewegung und Vibration der inneren Organe bewirkt, die auch zu den Funktionsstörungen und in seltenen Fällen zu Mikroblutungen im Magen-Darm-Trakt führen kann [1]. Die verringerte Durchblutung der Niere bewirkt eine Hemmung der Urinbildung. Die zurückgehaltene Flüssigkeit führt zu einer Verdünnung der Salzkonzentration im Körper (sogenannte Hyponatriämie), die durch Salzverluste bei starkem Schwitzen noch verstärkt werden kann [3].

Ein zusätzlicher Risikofaktor für die Entwicklung dieser Hyponatriämie ist das Trinken großer Flüssigkeitsmengen mit zu geringem Natriumgehalt während des Sports, die den Verdünnungseffekt
noch verstärken können. Der Überschuss an Flüssigkeit und die veränderte Salzkonzentration können zu Komplikationen im Herz-Kreislauf- und im Nervensystem beitragen [4]. Dieses Phänomen hat kürzlich beim Ironman 2015 in Frankfurt zu einem tragischen Todesfall geführt.

Alle diese Effekte können durch Einnahme von Schmerzmitteln noch verstärkt werden. Dennoch werden, gerade bei Ausdauersportarten wie Marathon, Schmerzmittel oft ohne Vorbehalte eingesetzt: Dabei wird nicht bedacht, dass die Medikamente auch Nebenwirkungen haben und dass die gewünschten und unerwünschten Wirkungen der Arzneien durch die körperliche Belastung verändert werden können. Die Folgen sind oft drastisch – egal ob im Profi - oder im Breitensport.

Ein erschreckendes Beispiel ist der ehemalige Bundesliga-Fußballspieler Ivan Klasnic, der wiederholt sehr hohe Dosen an Schmerzmitteln einnahm und seine Nieren dadurch so stark schädigte, dass er mehrfach transplantiert werden musste. Man muss davon ausgehen, dass besonders im Profi sport die zulässigen Tageshöchstdosen von Schmerzmitteln
nicht immer eingehalten werden.

Schmerzmittel im Breitensport weit verbreitet

Doch auch der Breitensport ist betroffen: In den letzten 20 Jahren gab es viele Veröffentlichungen, die ein erschreckendes Ausmaß der Schmerzmitteleinnahme bei Ausdauersportveranstaltungen zeigten. Dabei wurde auch immer wieder ein Zusammenhang zwischen veränderten Körperfunktionen und der Medikamenteneinnahme gezeigt.

Eine Arbeitsgruppe aus Erlangen hat in zwei aufeinanderfolgenden Jahren Befragungen unter den Teilnehmern des Bonn-Marathons durchgeführt. Im ersten Jahr (2009) wurde nach Häufi gkeit und Art der Schmerzmitteleinnahme gefragt: Mehr als 60 Prozent der befragten Läufer hatten Schmerzmittel eingenommen, elf Prozent wegen Schmerzen bereits vor dem Start. Vor allem Ibuprofen, Diclofenac und Aspirin wurden eingenommen, häufi g in hohen Dosierungen und ohne ärztliche Kontrolle oder Risikoaufklärung [5].

2010 wurde zusätzlich nach Nebenwirkungen und Komplikationen gefragt. Hier gaben 49 Prozent der Teilnehmer eine Schmerzmitteleinnahme vor dem Wettkampf an, wiederum die Mehrheit ohne ärztliche Verschreibung. Die Läufer unter Schmerzmittel hatten deutlich mehr körperliche Beschwerden (unabhängig von Schmerzen) als die Sportler ohne Medikation. Dabei traten vor allem Krämpfe im Magen-Darm-Trakt und Herz-Kreislauf Probleme auf, bei vier Prozent der Schmerzmittel-Gruppe wurde Blut im Urin beobachtet, was bei keinem Teilnehmer der Kontrollgruppe der Fall war.

Eindeutiger Zusammenhang

Insgesamt zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Dosierung und der Anzahl und Stärke der Komplikationen, die in der Schmerzmittel-Gruppe fünffach erhöht war. Neun Teilnehmer mussten sogar in der Klinik behandelt werden, davon drei mit Nierenversagen, vier mit Blutungen im Magen-Darm-Trakt und zwei mit Herzinfarkt. Alle Patienten mit schweren Komplikationen hatten vorher Schmerzmittel genommen. Interessanterweise konnten die Gelenk- und Muskelschmerzen nach dem Wettkampf durch die Schmerzmittel nicht einmal unterdrückt werden. Die Schmerzen traten in der Schmerzmittel-Gruppe sogar häufi ger auf [6], was wohl mit einer unbemerkten Überlastung während des Laufs zusammenhängt.

Zudem ist zu bedenken, dass die Wirkung der Medikamente meist gar nicht lange genug anhält, um Schmerzen nach dem Sport hemmen zu können. Die Unterdrückung des Schmerzes während des Sports verhindert dagegen die natürlichen Warn-Symptome und stellt so ein Risiko für verstärkte Schmerzen danach dar. Die sportliche Anstrengung kann die Nebenwirkungen der Schmerzmittel zusätzlich verstärken und zu Störungen in Organfunktionen führen. Deshalb sollte mit Schmerzmitteln beim Sport sehr vorsichtig umgegangen werden. Die Einnahme sollte nur in besonderen Fällen nach Rücksprache mit einem Arzt in Erwägung gezogen werden, um keine Gesundheitsgefährdung zu riskieren.

 

Weiterlesen: Schmerzmittel und ihre Folgen

Die Einnahme von Schmerzmitteln beim Sport ist keine Seltenheit. Am häufi gsten werden sogenannte nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAIDs) eingenommen, die nicht auf der NADA-Liste der verbotenen Substanzen stehen. Zu ihnen gehören auch Aspirin, Ibuprofen und Diclofenac. Ihre Wirkung beruht auf der Hemmung von Entzündungs- und Schmerzmediatoren (sog. Prostaglandine). Diese Mediatoren sind aber nicht nur bei der Schmerzentstehung, sondern auch in der Niere und im Magen-Darm-Trakt an natürlichen Funktionen beteiligt. Die Einnahme dieser Schmerzmittel kann deshalb zu Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt und der Niere etc. führen.

Die meisten Ausdauersportler entscheiden sich für Ibuprofen und Diclofenac, die eine kurze Wirkdauer haben. Daneben werden häufi g auch Aspirin, Paracetamol und langwirksame NSAIDs eingenommen. Die Nebenwirkungen dieser Medikamente können die körperliche Belastung noch verstärken und so zu schweren Symptomen vor allem im Magen-Darm-Trakt und der Niere führen. Vor allem die wiederholte oder dauerhafte Einnahme der Medikamente ist kritisch zu betrachten.  Insbesondere lang-wirksame Schmerzmittel wie Naproxen, Meloxicam oder Piroxicam sind in diesem Zusammenhang äußerst bedenklich, da sie die Nierenfunktion, die Blutgerinnung und die Darmtätigkeit noch Tage nach der Einnahme beeinträchtigen können.

Da eine anstrengende körperliche Betätigung bereits zu einer Verringerung der Nierendurchblutung führen kann, kann die zusätzliche Hemmung der Nierenfunktion durch NSAIDs eine zusätzliche Belastung darstellen, was z.B. für Ibuprofen schon nachgewiesen wurde [7]. Die oben bereits erwähnte Hyponatriämie kann dadurch ebenfalls zunehmen und so lebensgefährliche Symptome wie epileptische Anfälle oder Flüssigkeitsansammlungen im Gehirn auslösen, was nach Marathonläufen schon mehrfach beobachtet wurde [8,9]. Auch im Magen-Darm-Trakt treten nach NSAID-Einnahme verstärkt Beschwerden auf. Aspirin beeinfl usst außerdem die Blutgerinnung und birgt so die Gefahr einer erhöhten Blutungsneigung, die gerade bei Unfällen gefährlich werden kann. Im schlimmsten Fall können unter NSAID-Medikation Magen-Darm-Blutungen oder Nierenversagen eintreten.

Auch Paracetamol, das etwas anders wirkt als NSAIDs, wird von vielen Sportlern verwendet, obwohl dessen Schmerzlinderung bei Gelenk- und Muskelschmerzen nur als mäßig gilt. Es hat sich gezeigt, dass Paracetamol nach einem Marathon zwar gut verträglich ist und Muskelkater lindern kann [10]. Es kann aber auch die Leber schädigen. Dies trifft ganz besonders bei Personen mit vorgeschädigter Leber zu. Auch die schmerzhemmende Wirkung der Medikamente kann ein Risiko darstellen. Denn dadurch wird die natürliche Warnund Schutzfunktion von Schmerzen außer Kraft gesetzt und geschädigtes Gewebe weiter belastet. Das kann dazu führen, dass Entzündungen zunächst unbemerkt auftreten, weiter fortschreiten und eine verzögerte Heilung zeigen.

Die Autoren

Prof. Dr. Dr. Gerd Geisslinger
Anti-Doping-Berater des Landessportbundes Hessen

Prof. Dr. Ellen Niederberger
Pharmazentrum Frankfurt am Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt

Dr. Johannes M. Peil
Sportklinik Bad Nauheim

Quellenverzeichnis

[1] Mooren FC, Stein B (2011) Potentially Detrimental Effects of Marathon on Gastrointestinal System. Deut Z Sportmed 62:304-309

[2] Ter Steege RW, Kolkman JJ (2012) Review article: the pathophysiology and management of gastrointestinal symptoms during physical exercise, and the role of splanchnic blood fl ow. Alimentary pharmacology & therapeutics 35:516-528

[3] De Oliveira EP, Burini RC, Jeukendrup A (2014) Gastrointestinal complaints during exercise: prevalence, etiology, and nutritional recommendations. Sports Med 44 Suppl 1:S79-85

[4] Almond CS, Shin AY, Fortescue EB et al. (2005) Hyponatremia among runners in the Boston Marathon. N Engl J Med 352:1550-1556

[5] Brune K, Niederweis U, Kaufmann A et al. (2009) [Drug use in participants of the Bonn Marthon 2009]. MMW Fortschr Med 151:39-41

[6] Kuster M, Renner B, Oppel P et al. (2013) Consumption of analgesics before a marathon and the incidence of cardiovascular, gastrointestinal and renal problems: a cohort study. BMJ open 3

[7] Farquhar WB, Morgan AL, Zambraski EJ et al. (1999) Effects of acetaminophen and ibuprofen on renal function in the stressed kidney. Journal of applied physiology 86:598-604

[8] Ayus JC, Varon J, Arieff AI (2000) Hyponatremia, cerebral edema, and noncardiogenic pulmonary edema in marathon runners. Ann Intern Med 132:711-714

[9] Hew TD, ChorleyJN, Cianca JC et al. (2003) The incidence, risk factors, and clinical manifestations of hyponatremia in marathon runners. Clinical journal of sport medicine : offi cial journal of the Canadian Academy of Sport Medicine 13:41-47

[10] Prior MJ, Lavins BJ, Cooper K (2012) A randomized, placebocontrolled trial of acetaminophen extended release for treatment of post-marathon muscle soreness. Clin J Pain 28:204-210

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