„Wir haben in Hessen viele tolle Projekte“
Wie kann es gelingen, die in die Jahre gekommene Sportinfrastruktur in Deutschland fit für die Zukunft zu machen und dabei Nachhaltigkeitsziele zu berücksichtigen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Sportstättenmesse und Fachtagung „sportinfra“, die der Landessportbund Hessen (lsb h) am Mittwoch und Donnerstag zum zehnten Mal in Frankfurt ausrichtete. Auf der Messe waren rund 70 Aussteller vertreten. Sie präsentierten ihre Produkte, berieten und informierten – und zeigten Wege auf, wie Kommunen, Vereine und Verbände die vielfältigen Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit meistern können. Die elf Fachforen widmeten sich unterschiedlichen Ansätzen zur Planung und Sportstättenentwicklung – und griffen dabei Besonderheiten von kleinen, mittelgroßen und großen Sportanlagen auf.
Erstmals im Jahr 2006 ausgerichtet, hat sich die „sportinfra“ in der deutschen Sportlandschaft zu einer wichtigen Veranstaltung entwickelt, die alle zwei Jahre rund 1.000 Vertreter*innen aus Sportstättenbau, Kommunen und Vereinen zusammenführt. Die „sportinfra“ ist eine Netzwerkveranstaltung, auf der viele nachhaltige Projekte ihren Anfang nahmen. Etwa der Sport- und Bildungscampus in Bürstadt, der auf mehreren Ebenen nachhaltig ist. Er wird nicht nur klimaschonend betrieben, sondern stärkt als Sport- und Bewegungsstätte im öffentlichen Raum das soziale Miteinander. „Wir haben in Hessen viele tolle Projekte von Vereinen und Kommunen, die wir präsentieren können“, sagte Jens Prüller, Geschäftsbereichsleiter Sportinfrastruktur des Landessportbundes.
lsb h-Vizepräsident Klatt: „Thema im Netzwerk vorantreiben“
„Sportstättenentwicklung ist und bleibt – erstens – ein Handlungsfeld, das eine hohe Bedeutung für uns hat“, betonte Ralf-Rainer Klatt, Vize-Präsident Sportentwicklung des lsb h, der die verhinderte Präsidentin Juliane Kuhlmann vertrat. „Zweitens kann man das Thema Sportinfrastruktur nur in Kooperation und im Netzwerk vorantreiben. Unsere Zusammenarbeit erstreckt sich deshalb auf eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren: auf die in der Landesregierung, auf kommunaler Ebene, auf die Sportorganisationen, auf die Wissenschaft, aber auch auf die Hersteller und eine Vielzahl weiterer Expertinnen und Experten.“
Dass es beim Thema Nachhaltigkeit um weit mehr geht als den Umstieg von fossilen auf regenerative Energieträger, wurde bereits im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung deutlich. Denn die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen waren nicht nur auf großen Würfeln auf dem Podium präsent, sondern wurden auch in vielen Reden aufgegriffen. Nachhaltigkeit hat neben einer ökologischen und ökonomischen auch eine soziale Dimension, die im organisierten Sport eine große Rolle spielt. Das Thema fordert Vereine, Sportkreise und Verbände heraus, weil die Anforderungen vielschichtig sind – und deshalb nur mit starken Netzwerken und Unterstützung durch die Politik erfüllt werden können. Darin waren sich alle Redner*innen der Eröffnungsveranstaltung einig, die mit einer Podiumsdiskussion endete.
Bundesweiter Sanierungsstau bereitet Sorgen
Als zentrale sportstättenpolitische Herausforderung hoben Vizepräsident Klatt und weitere Redner*innen den bundesweiten Sanierungsstau hervor, der auf mehr als 30 Milliarden Euro geschätzt wird. Dieser reihe sich ein, „in entsprechende Versäumnisse in Bereichen anderer Infrastrukturen – etwa bei der Bahn“, führte der Vizepräsident aus und stellte klar: „Ohne eine substanzielle förderpolitische Ergänzung des Bundes an den Förderanstrengungen der Länder und Kommunen ist dem Sanierungsstau nicht beizukommen.“ Doch die Realität ist, dass der Bund seine Förderprogramme eingestellt hat – und dass die Arbeit an einem Entwicklungsplan Sport gescheitert ist. „Wir haben viel dafür getan“, betonte Michaela Röhrbein, Vorstand Sportentwicklung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Doch der im November vom Bund veröffentlichte Plan sei nur ein Sachstandsbericht und habe keine koordinierte, gemeinsame Ausrichtung. „Es gibt weiterhin viel zu tun“, so Röhrbein. Sie unterstrich, dass Deutschland mit rund 230.000 Sportstätten gut ausgestattet sei – aber: „Viele Sportstätten sind leider nicht nachhaltig.“
Welch hohen Stellenwert die soziale Dimension hat, verdeutlichte Malin Hoster, die Vorsitzende der Sportjugend Hessen. „Wir stellen uns immer wieder die Frage, was Kinder und Jugendliche brauchen, um sich in ihrem Wohnort gut entwickeln zu können.“ Besonders wichtig seien Sportstätten, die leicht erreichbar sind, was besonders auf dem Land oft nicht der Fall ist. Darüber hinaus gebe es weitere Barrieren – insbesondere „wenn es um die oftmals fehlende Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen bei der Planung und dem Bau von Sportstätten geht“, sagte Hoster. Und fügte hinzu: „Wir freuen uns gemeinsam mit Ihnen, vor allem mit den vielen Vertreter*innen der Kommunen, Barrieren abzubauen und Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu sichern.“
Nachhaltigkeit ist wichtiges Thema für Vereine
Zur Weiterentwicklung der Sportinfrastruktur trägt das Land Hessen bei, das jährlich rund 20 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Nachhaltige Sportstätten zu schaffen, sei nach Beginn des Ukraine-Kriegs besonders relevant geworden, erläuterte Jens-Uwe Münker, Abteilungsleiter Sport im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG). „Die hohen Energiepreise setzen Sportstättenbetreiber unter Druck.“ Darunter sind auch viele Vereine, denn fast 700 nahmen das Energiehilfsprogramm des Landes in Anspruch. „Das bedeutet, dass jedem zehnten hessischen Verein die Betriebskosten davonliefen“, so Münker. Sein Ministerium erhalte vermehrt Anfragen von Vereinen, die sich mit der energetischen Sanierung ihrer Anlagen beschäftigen.
Dass Nachhaltigkeit im organisierten Sport immer wichtiger wird, nimmt auch der lsb h wahr. „Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen werden in vielen Vereinen bereits gelebt“, betonte Prüller. Sein Geschäftsbereich Sportinfrastruktur unterstützt Vereine bereits seit mehr als 25 Jahren in Sachen Nachhaltigkeit – etwa mit kostenlosen Öko-Check-Beratungen. Er erlebt immer wieder, wie Kommunen und Vereine innovative Ideen entwickeln, die aber nicht umgesetzt werden. „Es gibt großes Potenzial, aber auch große Herausforderungen“, sagte Prüller und ergänzte: „Wir brauchen substanzielle Fördertöpfe aus unterschiedlichen Bereichen, damit niemand überfordert wird und auch in finanzschwachen Regionen nachhaltige Sportstätten entstehen können.“